Einer spricht
Monologe
Veröffentlichung:
Op der Lay, 2007
ISBN:
978-2-87967-150-5
Einer spricht, ein Schauspieler alleine auf der Bühne, der Monolog …
Das Bravourstück für einen Darsteller oder eine Darstellerin fordert das schauspielerische Können. Aber auch für den Autor bedeutet diese Form des Dramas eine Herausforderung. Im Monolog muss er den Solisten so viel oder so wenig Text liefern, dass der Zuschauer gebannt bleibt, er muss eine Geschichte erzählen können, die sich nur mit einer Stimme erzählen lässt, mit dem darstellerischen Instrumentarium eines einzigen Protagonisten.
Raoul Biltgen veranschaulicht, wie vielfältig, mannigfaltig und spannend diese Kunstform des Monologs sein kann. Einer, oder Eine, spricht im vorliegenden Sammelband mal mit sich selbst und erzählt als Selbstreflexion eine komplexe Geschichte über die eigene Befindlichkeit, manchmal dient das Mobiltelefon als Dialogpartner und der Gesprächspartner entsteht in der Phantasie des Zuschauers. Der Zweite oder das Gegenüber kann aber als unsichtbarer Widerpart auf der Bühne präsent sein, zuhörend oder sogar als Bedrohung anwesend sein.
Biltgens Einfallsreichtum hinter der Idee einer spricht scheint schier grenzenlos zu sein. Vom abendfüllenden monologischen Bühnenstück, bis zur Szene, in der nur ein Wort fällt, von der Komödie bis zur Tragödie. Kinder, Männer und Frauen aller Altersgruppen kommen hier zu Wort. Es erstaunt beim Lesen, wie viele Geschichten und Dramen der Autor mit dieser minimalistischen theatralen Form zu erzählen vermag.
Aufführungsrechte: Thomas Sessler Verlag, 2007
“Biltgen zeigt emotional extrem angespannte Figuren in Situationen, die selbst extrem sind oder es hier auf jetzt zu werden drohen. Wie bis zum Anschlag aufgezogene Spieluhren zurren sie – oft ohne Punkt und Komma – Kommentare, Beichten, Ansagen und Rechtfertigungen fest. Eine Figur kämpft gegen die Verschachtelung einer Telefon-Hotline an, die sie dazu nötigt, eine im Voraus zurechtgelegte Wortfolge immer wieder von vorne abzuspulen, bis sie ihren ursprünglichen Sinn verliert und neuen Sinn erzeugt.
Elise Schmit: Letzebuerger Land, 18.1.2008
Biltgens Akteure stehen unter Strom. Sie reden, weil sie reden müssen und sagen dabei mehr, als sie eingangs eigentlich sagen wollten. Der zwanghafte Redefluss einer Radiomoderatorin, die Zeugin und anschließend Opfer eines Amoklaufes im Studio wird, ist selbst nicht durch den Anblick eines auf sie gerichteten Revolvers zu stoppen. Die Todesgefahr wird einfach mitmoderiert. Auch wo die von den Monologen vorausgesetzte Handlung nicht ganz so filmreif abläuft, kann der Zuschauer immer davon ausgehen, dass auf der Bühne bald etwas Entscheidendes passieren wird. Oder schon passiert ist, ohne dass er es schon weiß.
Hinter dem, was zunächst als harmloses Geplänkel daherkommt, verbergen sich kleinere und größere Katastrophen – oder beide zugleich. Dabei macht sich Biltgen offenbar einen besonderen Spaß daraus, mit Klischees – was in diesem Fall auch heißen kann: mit den Erwartungen des Publikums – zu spielen. Beispiel: Ein Mann deckt liebevoll den Tisch für ein Abendessen mit seiner Freundin. Die Zeichen scheinen untrüglich zu sein: Er hat selber gekocht, Kerzen auf den Tisch gestellt und romantische Musik aufgelegt. Sich so richtig Mühe gegeben. Wer hier aber auf einen Heiratsantrag spekuliert, wird bald eines Besseren belehrt. In diesem Monolog probt jemand für den Laufpass, den er der Freundin gleich geben wird.
Oder: Ein offenbar schwer erziehbarer Jugendliche wird nicht müde, die Psychologin zu beleidigen, zu der sein Vater ihn geschickt hat. Prahlt mit zahlreichen kleinkriminellen Delikten und seinen sexuellen Heldentaten. Der arme Vater? Abwarten… Wie alle Figuren, die Biltgen auftreten lässt, redet auch diese sich mehr von der Seele, als sie will. Unaufhaltsam quillt das Geständnis aus ihr hervor. Aus den manischen Wortfolgen schälen sich langsam, aber deutlich die wahren Antriebe der Figuren heraus – das reinste Seelenstriptease.
Den Hang zur Selbstoffenbarung, der den Bühnenmonolog klassischerweise kennzeichnet, weiß Biltgen in größere Zusammenhänge zu betten, denen es oft nicht an gesellschaftskritischen Untertönen fehlt (dabei bekommt übrigens auch das Großherzogtum sein Fett weg). Mit den Figuren werden Missstände bloßgestellt, die nicht nur ein gequältes Ich angehen, sondern allgemeine Fragestellungen ansprechen. Der Zug vom Monolog ins Übergreifende wird umso interessanter, da der Leser/Zuschauer immer erst allmählich an das wahre Problem des Sprechers herangeführt wird. Die verstörendste Wirkung erreicht dabei der vergleichsweise lange Monolog I will survive, in der ein junger Mann von seiner Infizierung mit dem HIV-Virus spricht. Auch hier ist die Katasprtophe eine ganz andere, als es zunächst den Anschein hat.
Die in Einer spricht versammelten Texte sind, so gut und zügig sich sich lesen lassen, doch eigentlich für die Bühne bestimmt. Man kann ihnen nur wünschen, dass sie den Weg dorthin bald finden werden.”